Anna Mayr: Die Elenden

Annina Haab
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Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht. Hanser Verlag, Berlin 2020 (206 S.)

Als der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 die Agenda 2010 verkündete, muss allen Mitgliedern des Kabinetts Schröder II bewusst gewesen sein, dass diese Reform des deutschen Sozialsystems und Arbeitsmarktes für Arbeitslose und Sozialhilfebezüger*innen auf massiven Leistungsabbau und zunehmende Prekarisierung hinauslaufen würde. Dies war sogar gewollt, sagt Anna Mayr, die in ihrem Buch Die Elenden zeigt, wie sich die Sparpolitik im Sozialwesen auf das Leben Unterstützungsbedürftiger auswirkt und welchen Nutzen die deutsche Gesellschaft ihrer Meinung nach aus der Prekarisierung und Ausgrenzung von Arbeitslosen zieht.

Anna Mayr, deren Eltern während ihrer Kindheit beide arbeitslos waren und die heute als Redakteurin für das Politik-Ressort der ZEIT arbeitet, untermalt den Text zwar mit ihren persönlichen Erfahrungen, sie will aber kein Einzelschicksal erzählen, sondern analysieren, was die gesellschaftliche Rolle der Arbeitslosen ist, welches System und welche Ideologien davon profitieren und dafür verantwortlich sind. «[Dieses Buch] belegt nicht, dass eine junge Frau, die mit Hartz IV aufwächst, in Deutschland alles erreichen kann, was sie sich wünscht.» (S. 34) Die Autorin will keine Aufstiegsgeschichte erzählen, sondern «zu einem neuen Verständnis, zu einer neuen Grosszügigkeit, zu einer dadurch erst greifbar werdenden neuen Sozialpolitik» (ebd.) auffordern.