Antikolonialismus und der Ukrainekrieg

Dominic Iten, Arlan Kaskerbai
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Die Besetzung der gesamten Welt unter dem Vorsatz, sie der kapitalistischen Produktionsweise unterzuordnen, hat Widersprüche zwischen abhängiger Peripherie und imperialistischem Zentrum aufgebaut, die sich in einer Reihe von lokal begrenzten antikolonialen Aufständen bis zu gesamtnationalen Befreiungskriegen entfaltet haben. Von Kuba über Algerien bis Vietnam lehnten sich die Menschen auf gegen die aggressive Tendenz des Imperialismus, ökonomische Abhängigkeiten zu schaffen, demokratische Institutionen auszuhöhlen, emanzipatorische Bewegungen zu unterdrücken. Es war diese Auflehnung gegen die Kolonialherrschaft der imperialen Grossmächte, die als nationale Befreiungsbewegungen in die Geschichtsbücher eingegangen ist.
Zur Legitimierung einer umfassenden Unterstützung des ukrainischen Staates werden heute Parallelen zwischen dem Ukraine-Krieg und den antikolonialen Befreiungsbewegungen gezogen – obwohl der Vergleich schwerwiegende Schwächen aufweist.

Die nationalen Befreiungsbewegungen
In The Darker Nations, A People’s History of the Third World (2022) beschreibt Vijay Prashad die Geschichte der antikolonialen Kämpfe, deren Anfänge er in den 1920ern und deren Niedergang in den 1980ern sieht. Prashad erkennt eine Kontinuität in diesen über mehrere Jahrzehnte gestreuten Kämpfen und beschreibt sie – auf Frantz Fanon referierend – als das «Dritte-Welt-Projekt». Das von der Komintern organisierte Brüsseler Treffen der Liga gegen Imperialismus und nationale Unabhängigkeit (1927), die Konferenz von Ban-