Berufliche Grundbildung gegen Bezahlung

Luca Preite
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Eine Fallstudie von den Rändern der Schweizer Bildungssystems
 

Im internationalen Vergleich gilt das Schweizer Berufsbildungssystem als Erfolgsmodell (Strahm u. a. 2016). Die Dualität von Schule und Betrieb garantiere – so die These – eine solide und zukunftsträchtige, weil arbeitsmarktorientierte Ausbildung. Für eine nicht unbedeutende Anzahl der in der Schweiz lebenden Jugendlichen scheint dieses Bildungsversprechen aber nur bedingt eingelöst (Scharnhorst / Kammermann 2020). Seit Mitte der 1990er-Jahre steigt der Anteil derer, die sich nach der Oberstufe ohne Lehrstelle in einer sogenannten Übergangsausbildung oder Übergangsmassnahme wiederfinden. Aktuell ist bei Jugendlichen bereits bei jeder vierten beruflichen Grundbildung eine solche Phase der Unsicherheit von mindestens ein bis zwei Jahren vorgelagert (Sacchi / Meyer 2016). In absoluten Zahlen finden sich demnach etwa gleich viele Jugendliche in sogenannten Brückenangeboten, Motivationssemestern, Zwischenlösungen, Vorlehren und Praktika wieder – rund 20 000 – wie Jugendliche pro Jahr schweizweit ihre Ausbildung an einem Gymnasium beginnen. Kommt hinzu, dass die Quote der Lehrvertragsauflösungen je nach Branche hoch bleibt und selbst der Berufsabschluss zum Teil keine Garantie mehr darstellt für ein gesichertes, d. h. nicht prekäres Erwerbsleben (Meyer / Sacchi 2020; Lamamra / Duc 2018).

An den Rändern des Schweizer Berufsbildungssystems versuchen diese «gefährdeten Jugendlichen» (Häfeli / Schellenberg 2009) Anschluss zu erhalten. Zusehens werden sie dabei auch von Privatschulen auf Sozialen Medien und in Gratiszeitungen mit Bildungswerbungen wie «Noch keine Lehrstelle? Wir helfen dir weiter!» oder «Mache deinen Traum zum Beruf» gezielt angesprochen. Diese berufsbildenden Privatschulen sind in den Bildungswissenschaften kaum untersucht. Angeboten werden kaufmännische und informatische Lehrgänge (z. B. Kauffrau/mann; Informatiker/in), Lehrgänge im gestalterischen und medizinischen Bereich (z. B. Fotograf/in, Medizinische Praxisassistenz) sowie neu auch im Bereich der Betreuung und Erziehung (z. B. Fachmann/frau Gesundheit, Kleinkindererzieher/in). Mit Ausnahme des Abschlusses der Sekundarstufe I gelten keine schulischen Aufnahmebedingungen. Entscheidend ist einzig, ob die Interessent*innen fähig und willens sind, das Schulgeld von 30 000 bis 40 000 Franken aufzubringen.