China – ein Reich, an dem sich die Geister scheiden

Kurt Seifert
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China als glänzendes Vorbild oder als abschreckendes Beispiel – diese Frage stellt sich dem Westen nicht erst seit heute. Die europäischen Aufklärer waren durch ihre Auseinandersetzung mit einem bislang kaum bekannten Denken auf eine Gesellschaft ohne Kirche und Adel aufmerksam geworden, die sich von jener des Abendlandes grundlegend unterschied. So plädierte der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz in seinem 1697 veröffentlichten Werk Novissima Sinica (Das Neueste von China) dafür, von China zu lernen. Voltaire sah im chinesischen Kaiserreich den idealen Vertreter eines aufgeklärten Absolutismus, an dem sich Europas Monarchen orientieren sollten, wie er in seinem 1756 erschienenen Essay sur l'Histoire générale et sur les moeurs et l'esprit des nations (Versuch über die Weltgeschichte und die Sitten und den Geist der Völker) schrieb. Am kaiserlichen China liess sich aufzeigen, dass zum guten Funktionieren einer Gesellschaft keine feudalen Strukturen notwendig waren.

Das Schicksal Asiens

In ihrem Buch Die Chinesen. Psychogramm einer Weltmacht vertreten der Journalist Stefan Baron und die Journalistin Guangyan Yin-Baron die Meinung, die europäische Sinophilie habe einen «bedeutenden Beitrag zum Zusammenbruch des Ancien Régime […] und zur Modernisierung des Westens» geleistet. (Baron, Yin-Baron 2019, 52) Mit dem Aufkommen einer neuen Produktionsweise, des Kapitalismus, verkehrte sich dann aber Bewunderung in Missachtung. Angesichts der rasanten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritte in Europa galt China jetzt als rückständig, gar als eine «orientalische Despotie». Stichwortgeber dafür war der Staatstheoretiker Charles-Louis de Secondat, Baron de Montesquieu, mit seinem 1748 erschienenen Hauptwerk De l’Esprit des Lois (Vom Geist der Gesetze).

 

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