Covid-19-Pandemie und Staatsverschuldung in der Schweiz
Eine der folgenreichsten Ideen der ökonomischen Orthodoxie der letzten Jahrzehnte war, dass Regierungen ihre Budgetdefizite reduzieren sollten – vorzugsweise auf null. Die radikale antietatistische Position sähe staatliche Kreditaufnahme am liebsten ganz verboten; die moderatere Version zielt auf einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus hinweg, wodurch der nominale, also in Franken oder Euro gemessene, Schuldenstand praktisch eingefroren wird. Bis zur Grossen Rezession 2009 war die letztere Version in akademischen Kreisen dominant, und in der Öffentlichkeit war weitgehend akzeptiert, dass fiskalische Disziplin, Schulden- und Ausgabenbremsen und, im Falle von als notorisch verschwenderisch wahrgenommenen Regierungen, auch von aussen auferlegte Austeritätsmassnahmen angezeigt sind. Je schmerzvoller die Therapie, desto schneller und gründlicher die Gesundung, lautete dabei die Empfehlung der akademischen PolitikberaterInnen.
Der wissenschaftliche Hintergrund dieser Empfehlungen stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen. Zum ersten auf den durch Friedrich Hayek (1899–1992) verkörperten Anti-Etatismus (Hayek 1944), der bei staatlicher Wirtschaftsaktivität immer am Ende einen dirigistischen Staatssozialismus hervorscheinen sieht. Die zweite Säule ist die Empfehlung strikter Regelbindungen für die Wirtschaftspolitik, wie sie durch den Monetarismus und insbesondere seinen bedeutendsten Vertreter, Milton Friedman (1912–2006), vertreten wurde (Friedman 1962, insb. Kapitel 5). Dahinter steht die Annahme, dass die Wirtschaftspolitik von Partikularinteressen geleitet wird und die Akteure, einem politischen Konjunkturzyklus folgend, vor Wahlen wirtschaftliche Wohltaten unter das Elektorat zu verteilen geneigt sind. Die dritte und ausgefallenste Säule ist das auf David Ricardo (1772–1823) zurückgeführte Äquivalenztheorem.