Das notwendige Nass

Andrea Mühlebach
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Der Kampf gegen die Wasserprivatisierung in Berlin[1]

 

Im Februar 2011 fand in Berlin ein präzedenzloser Volksentscheid über die Offenlegung der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) statt. Er bewog die Stadt zwei Jahre später dazu, ihre Wasserbetriebe nach mehr als vierzehn Jahren Teilprivatisierung wieder zu rekommunalisieren. Das Protestlogo zum Volksentscheid sprach Bände: eine einfache Infrastruktur (der Wasserhahn), eine gängige Ressource (der Wassertropfen) und ein gefrässiger Hai, das Auge mit einem Euro-Symbol geschmückt. Das Logo symbolisiert den vom Volksentscheid sichtbar gemachten Finanzkapitalismus, dessen Ausbeutungsmechanismen oft hinter komplizierten öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-Private-Partnerships) verschleiert werden (Wassmuth 2018, 4). Öffentlich-private Partnerschaften sind eine Privatisierungsform, bei der der Bau und Betrieb öffentlicher Infrastrukturen fremdfinanziert und Profite über viele Jahre hinweg staatlich garantiert werden – Profite, die schlussendlich von NutzerInnen bezahlt werden müssen und die als Tributzahlungen an das Kapital verstanden werden müssen, wie Max Weber es bereits 1894 in seiner Analyse zur Börse beschrieb.

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Manchmal aber stellt genau dieser Raubtierkapitalismus eine hart umkämpfte Zone dar, in der sich Menschen gegen die Plünderung ihrer Gemeingüter wehren. Besonders beim Wasser regt sich im Fall von Privatisierungsversuchen heftiger Widerstand. Europa ist in den letzten Jahren von vielen Wasserprotesten geschüttelt worden, die auf Wasser als Gemeingut (Englisch «commons» und Italienisch «bene comune») beharren. Wasser, oft gleichgesetzt mit dem Leben schlechthin, tendiert dazu, sich sogar im liquidesten aller Märkte der «Verflüssigung» zu entziehen. Auf der einen Seite wird Wasser als «Öl des nächsten Jahrhunderts» ein stetig wachsender Wert zugeschrieben. Als Anlageklasse werde Wasser, so Goldman Sachs, bald Öl, Kupfer, Landwirtschaftsprodukte und rare Metalle überholen (Yang 2014). Zur Zeit kaufen in diesem spekulativen Fieberwahn Banken, Pensionskassen, hochklassige Unternehmensbeteiligungskonzerne und Aktienfonds – die «neuen Wasserbarone», wie Jo-Shing Yang (2014) sie nennt – vor allem in grossen urbanen Zentren sogenannt mittelständischer Länder beachtliche Anteile der öffentlichen Wasserversorgung auf (Bakker 2013; Bayliss 2013). Dieser weltweite «water grab» wird durch den Sparkurs austeritätsgeschüttelter Städte erleichtert, die sich ihre öffentlichen Güter fremdfinanzieren lassen müssen (Bear 2017; Peck 2015; Peck und Whiteside 2015). Diese Hinwendung zu globalen Investoren und internationalen Kapitalmärkten hat zahlreiche Städte dazu veranlasst, ihre Wasserwerke in handelbare Vermögenswerte für den globalen Markt umzuwandeln. Dies geschieht durch die obengenannte öffentlich-private Partnerschaft, die öffentliche Güter in gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaften verwandeln oder einbetten.[i]

 

[1] Dieser Artikel ist eine abgeänderte Version eines bereits erschienenen Artikels (Muehlebach 2019).

[i] Die Umwandlung der BWB in eine Aktiengesellschaft war hochkontrovers, als sie 1994 vorgeschlagen wurde. Der Berliner Senat kreierte daher 1998 eine ungewöhnliche Holdingstruktur namens Berlinwasser Holding AG, in die Veolia und RWE investieren konnten, obwohl die BWB formal noch eine Anstalt öffentlichen Rechts blieb (Lanz / Eitner 2005; Passadakis 2006).