Die Angst der Marxisten vor dem Geld aus dem Nichts

Michael Wendl
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In den vergangenen zwei Jahren ist die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Modern Monetary Theory (MMT) entgegengebracht wird, deutlich gestiegen. Verstärkt wurde diese Aufmerksamkeit durch die in der Folge der Pandemie deutlich gestiegene öffentliche Kreditaufnahme und die damit verbundene Debatte über die Verfahren der Emittierung von Staatsanleihen und die Finanzierung dieser Staatsanleihen. Hier weist die MMT darauf hin, dass die Staatsanleihen zunächst mit Zentralbankgeld gekauft werden. Dazu kommt seit einigen Monaten eine insbesondere unter linken ÖkonomInnen forcierte Debatte über die zukünftige Rückzahlung öffentlicher Kredite und die Zukunft der deutschen Schuldenbremse beziehungsweise den weiteren Umgang mit dem Fiskalpakt in den Ländern der Europäischen Union. In diesen Diskussionsprozessen fällt auf, dass sich insbesondere marxistische Ökonomen kritisch bis direkt ablehnend über die MMT äussern. Einmal wird ihr eine falsche Erklärung des Geldes, die im Gegensatz zur Marxschen Geldtheorie steht, vorgeworfen (Krüger/Müller 2020; Müller 2021). Zweitens richtet sich die marxistische Kritik gegen Aussagen der MMT, dass öffentliche Kredite prinzipiell nicht getilgt werden müssen, wenn sie von der Zentralbank direkt an den jeweiligen Nationalstaat gegeben werden. Aber auch bei dem gegenwärtigen Verfahren des Begebens von Staatsanleihen ist die fristgemässe Tilgung der Staatsanleihen kein Problem. In Deutschland wird so verfahren, dass eine Bietergruppe von 36 grossen Geschäftsbanken die von der Finanzagentur des deutschen Finanzministeriums begebenen Staatsanleihen auf dem sogenannten Primärmarkt kauft. Sie bezahlt diese Anleihen mit Reserven an Zentralbankgeld, die diese Banken auf ihren Konten bei den nationalen Zentralbanken im Europäischen System der Zentralbanken halten. Auf den sogenannten Sekundärmärkten kann danach die zuständige Zentralbank im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) Staatsanleihen kaufen, um einen Kursverfall der Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu verhindern und damit die Renditen niedrig oder bei null zu halten (Ehnts 2020, 128f.). Die Tilgung der Staatsanleihen wird dann über das Begeben neuer Staatsanleihen finanziert. Das ist nach herrschender Rechtsmeinung europarechtlich zulässig, weil der EZB nur der direkte Kauf von Staatsanleihen auf dem Primärmarkt untersagt ist. Politisch ist das Verfahren in Deutschland, sofern es überhaupt verstanden wird, allerdings umstritten.