Die Lebensnotwendigkeit von Theoriearbeit

Stefan Howald
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75 Archivschachteln stehen im Widerspruch-Archiv. Gefüllt mit Zeitungsausschnitten, Broschüren, Notizen. Es sind Grundlagen für die Arbeit an rund sechzig Widerspruch-Nummern. So hat Pierre Franzen gearbeitet. Als Widerspruch-Redaktor war er ein unersättlicher Leser und Sammler. Kaum eine deutschsprachige Zeitung, kein Theorieorgan war vor ihm sicher. Alles wurde ausgewertet, angezeichnet, aufbewahrt. Das Material diente der Entscheidung fürs nächste Schwerpunktthema des Widerspruch, aber auch der konkreten Textarbeit. Die ist schon beinahe legendär. Wenn ein Manuskript eintraf, wusste Pierre bald, wo Schwachstellen lagen, Ergänzungen nötig waren, gab hier noch einen Literaturhinweis, eine Anregung, mahnte da eine präzisere Wortwahl an und legte gleich einen hilfreichen Zeitungsausschnitt bei. Das war herausfordernd und anspruchsvoll, zuweilen anstrengend, doch immer lohnend.

Genug der Personalisierung, würde Pierre sagen, der Widerspruch habe schliesslich im Kollektiv gearbeitet. Das stimmt und ist doch nur die halbe Wahrheit. Es stimmt, da die Redaktion in der ersten Phase aus rund zehn Personen bestand, um die sich anfänglich sogar Arbeitsgruppen anordneten. Aber in diesem Kreis gab es wiederum einen inneren Kreis von drei bis vier Leuten, welche die Produktion der Hefte bis hin zum Druck garantierten. Bis 1991 schliesse ich mich in diesen engeren Kreis ein. Ab 1991 wurde der Widerspruch – und man tut niemandem Unrecht, wenn man das feststellt – zweieinhalb Jahrzehnte lang von drei Personen getragen, Pierre Franzen, Urs Sekinger und Walter Schöni.

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