Die überflüssigen Menschen aus der Ostukraine
Anmerkung der Redaktion
Anatoli Uljanov machte sich in den 2000er-Jahren mit seinen provokativen Texten zu Kunst, Kultur und Politik in der Ukraine einen Namen. In der Folge hatte er wiederholt mit politischer Repression und gewalttätigen Übergriffen zu kämpfen, weshalb er sich 2009 gezwungen sah, die Ukraine zu verlassen. Seither lebt er in den USA, wo sich seine anfängliche Position gegen Nationalismus, für Vielfalt und Menschenrechte zu einer antiimperialistischen, antirassistischen und sozialistischen Perspektive entwickelte. Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen seiner literarischen Texte. Uljanov erzählt darin vom Umgang mit russischsprachigen Minderheiten in der Ukraine. Er berichtet, wie deren Identität unter Druck gerät und sie zu «Fremden im eigenen Land» werden. Der Text fragt nach den Auswirkungen dieses Umgangs auf der persönlichen Ebene – sowohl vor wie auch nach Ausbruch des Krieges.
Der Artikel erschien ursprünglich am 10. 9. 2022 auf LeftEast (lefteast.org/the-superfluouspeople-
of-eastern-ukraine/). Er wurde für den Widerspruch vom Autor leicht angepasst und von Arman Spéth übersetzt.
Stellen Sie sich vor, Sie sind russischsprachig und leben in einer zerbombten ostukrainischen Stadt, die darauf wartet, befreit zu werden. Einige der «Befreier» werden zuerst Ihre Schränke nach jungen Männern durchsuchen, die sie mobilisieren und als Kanonenfutter der Marke Z verwenden können. Die anderen Befreier machen deutlich, dass sie in Ihnen nichts weiter als einen «Vatnik», einen Homo Sovieticus, sehen. Ihnen bleibt somit nur die Wahl, mit welchem Messer Sie befreit werden möchten: dem guten Messer des Opfers oder dem bösen Messer des Angreifers? Wenn ich Oleksij Danilow, dem Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine, zuhöre, verstehe ich, dass niemand besonders an der «Reintegration des Donbass» (Danilow 2022) interessiert ist. Was zählt, ist ein Territorium, das vorzugsweise von der «überflüssigen»