Enteignung als rassistische Waffe
Die Nationalsozialisten nutzten Enteignungen vom Moment der Machtübernahme an als Mittel zur Verfolgung ihrer politischen GegnerInnen. Sie eigneten sich das Vermögen der ins Ausland geflohenen «Reichsfeinde» an, das der Gewerkschaften und linken Parteien, bis hin zu den Gerätschaften und Sportplätzen kleiner Arbeitersportvereine. Mit noch grösserem Nachdruck und existentielleren Folgen betrieben sie vom Frühjahr 1933 an die Enteignung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Die Nationalsozialisten konnten dabei auf antisemitische Klischees zurückgreifen, die in Deutschland eine lange Tradition hatten. Die rechtliche Gleichstellung von Menschen jüdischen Glaubens, die erst seit 1871 gesetzlich verankert war, war in Teilen der Bevölkerung auf erbitterte Gegnerschaft gestossen. Der moderne Antisemitismus beruhte (und beruht bis heute) auf Ressentiments, die Jüdinnen und Juden mit Geld verbinden und ihnen unterstellen, mit unlauteren Mitteln, also ohne Mühe und Arbeit, zu Reichtum gekommen zu sein. Die sozial, kulturell und religiös sehr heterogene jüdische Bevölkerung wurde zu einer grossen und mächtigen Gefahr für Deutschland stilisiert, sie nahm in der nationalsozialistischen Ideologie die Rolle eines parasitären und gefährlichen Nutzniessers am «Volkskörper» ein, deren Enteignung nicht nur als gerecht, sondern als eine Art Notwehrmassnahme ausgegeben wurde. Die Bedeutung, die diese antisemitische Projektion für die Nationalsozialisten spielte, bildete sich in der Radikalität ihrer Enteignungspolitik ab.
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