Enteignung als rassistische Waffe

Katharina Stengel
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Vertreibung, Bereicherung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im «Dritten Reich»


Die Nationalsozialisten nutzten Enteignungen vom Moment der Machtübernahme an als Mittel zur Verfolgung ihrer politischen GegnerInnen. Sie eigneten sich das Vermögen der ins Ausland geflohenen «Reichsfeinde» an, das der Gewerkschaften und linken Parteien, bis hin zu den Gerätschaften und Sportplätzen kleiner Arbeitersportvereine. Mit noch grösserem Nachdruck und existentielleren Folgen betrieben sie vom Frühjahr 1933 an die Enteignung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Die Nationalsozialisten konnten dabei auf antisemitische Klischees zurückgreifen, die in Deutschland eine lange Tradition hatten. Die rechtliche Gleichstellung von Menschen jüdischen Glaubens, die in Deutschland erst seit 1871 gesetzlich verankert war, war in Teilen der Bevölkerung auf erbitterte Gegnerschaft gestossen. Der moderne Antisemitismus beruhte (und beruht bis heute) auf Ressentiments, die Jüdinnen und Juden mit Geld verbinden und ihnen unterstellen, mit unlauteren Mitteln, also ohne Mühe und Arbeit, zu Reichtum gekommen zu sein. Die sozial, kulturell und religiös sehr heterogene jüdische Bevölkerung wurde zu einer grossen und mächtigen Gefahr für Deutschland stilisiert, sie nahm in der nationalsozialistischen Ideologie die Rolle eines parasitären und gefährlichen Nutzniessers am «Volkskörper» ein, deren Enteignung nicht nur als gerecht, sondern als eine Art Notwehrmassnahme ausgegeben wurde. Die Bedeutung, die diese antisemitische Projektion für die Nationalsozialisten spielte, bildete sich in der Radikalität ihrer Enteignungspolitik ab.

Seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 mussten Jüdinnen und Juden (genauer gesagt diejenigen, die von den neuen Machthabern als Juden angesehen wurden) in Deutschland mit Repressalien und Gewalttätigkeiten in bis dahin unbekanntem Ausmass rechnen. Sie waren bald zahllosen Angriffen ausgesetzt, die sowohl von der NSDAP und von AntisemitInnen in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgingen, als auch von der staatlichen Verwaltung. Jüdinnen und Juden waren durch gewalttätige Übergriffe bedroht, durch den Verlust ihrer Arbeitsstellen, ihrer KundInnen, ihrer sozialen und gesellschaftlichen Verbindungen. Ein bedeutender Teil der Angriffe zielte von Anfang an auf das Eigentum der jüdischen Bevölkerung. Darin wurde in Partei und Staat ein Hebel gesehen, die deutschen Juden aus der Gesellschaft auszustossen, sie zu isolieren, einzuschüchtern, ihnen ihre Lebensgrundlagen zu entziehen und sie schliesslich zur Flucht zu nötigen (Institut für Zeitgeschichte 2008/09; Wildt 2007; Friedländer 1998).

 

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