Generativität, Geschlecht und Gesellschaft – revisited
An der UN-Bevölkerungskonferenz von Kairo im Jahr 1994 wurden bevölkerungspolitische Zwangsmassnahmen offiziell abgeschafft und verboten. Verabschiedet wurde die Agenda der Reproduktiven Gesundheit und Rechte, die erstmals Fortpflanzung (Generativität) auf die Basis von Menschenrechten stellte. Frauen sollten von nun an selbst über ihre reproduktive Gesundheit sowie darüber bestimmen, wann und wie sie Kinder bekommen. Die Agenda von Kairo ist bis heute richtungsweisend für die UNO-Mitgliederländer bei der Gestaltung ihrer (Gesundheits-)politik zu den Themen Fertilität, Schwangerschaft, Geburt, Abtreibung, Verhütung, Reproduktionstechnologien und so weiter. Die Agenda war – trotz wichtiger Errungenschaften – nicht unumstritten und blieb etwa anschlussfähig für geburtensteuernde Ziele (Schultz 2006). Schultz beschreibt den Fokus der Programme auf Gesundheit als einen Paradigmenwechsel, der biopolitische Makroziele wie zum Beispiel Geburtensteuerung unsichtbar machte, weil diese von nun an in die individuellen Entscheidungen von Individuen hinein verlagert wurden. So würden Frauen im globalen Süden mit der Botschaft adressiert, dass es für sie gesünder wäre, weniger Kinder zu bekommen. Anders ausgedrückt: Die Agenda von Kairo machte Antinatalismus mit dem Argument der Gesundheit und Selbstbestimmung legitimierbar.
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