Karl Marx: Debatten über das Holzdiebstahlgesetz

Christoph Henning
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Dieser Zeitschriftenartikel von 1842 zeigt einen sehr frühen, noch «unmarxistischen» Marx: Es ist noch keine Rede von Proletariat, Zyklus und Krise. Umso interessanter ist die Lektüre dieses journalistischen Textes gerade im Kontext der Enteignung. Sie lässt verstehen, warum bereits der (ganz) junge Marx für die zarte Demokratiebewegung jener Zeit ein zentraler Autor war, und was den ungestümen Hass der Behörden ausgelöst hat, die ihn zunächst zensiert, dann exiliert haben. Er tritt auf als scharfer Analytiker der politischen Ereignisse, dessen Parteinahme für die entrechteten Schwachen kein partikularistisches Sektierertum ist (wie ihm bis heute vorgeworfen wird), sondern der die Mächtigen an allseits geteilten normativen Standards misst und die Inkonsistenz ihrer Herrschaftspraktiken detailliert und ungeschönt sichtbar macht. Er zeigt auf, wie vielschichtig die fortschreitende Etablierung marktförmigen Privateigentums (Marx nennt es «ein Gemeingut monopolisieren», S. 120) nichtbesitzende Menschen enteignet: Der gewohnte Zugang zu bis dato geteilten Ressourcen – hier dem umherliegenden «Raffholz» (S. 119) – wird versperrt, auch Recht und Staat drohen zur Beute zu werden (Entrechtung und politische Entmündigung folgen). Mit ihrer Hilfe wird schliesslich eine weitere Ausbeutung in Angriff genommen: neben die eigentumsbasierte Ressourcensperre tritt die Androhung empfindlicher Strafen für den blossen Versuch, sich weiterhin mit dem Nötigsten zu versorgen. Marx zeigt in der Nachzeichnung der Debatten darüber (die de facto eher Monologe der Profiteure sind), wo rechtliche «Erschleichungen» liegen und wie eine der zunehmenden Vermarktlichung angemessenere Gesetzgebung aussehen müsste. Es gibt daneben innovative Methoden, die kulturtheoretisch von bleibendem Interesse sind: neben der Sprachkritik etwa hochinteressante visuelle Metaphern, theatrale Momente der Metamorphose, und eine Kritik des modernen Fetischismus, der Dinge über Menschen stellt.

Der normative Fluchtpunkt dieser Schrift ist demokratisch: Marx analysiert Verhandlungen des rheinischen Landtags – einer preussisch-deutschen Schrumpfform des Parlamentarismus, in der nur städtische und ländliche Grundbesitzer repräsentiert waren und die als beratendes Gremium keine Gesetze erlassen durfte. Das Beispiel sollte den demokratisch Gesinnten zeigen, «was von einer Ständeversammlung der Sonderinteressen, würde sie einmal ernstlich zur Gesetzgebung berufen, zu erwarten sei» (S. 146); nämlich eine Aushöhlung von Recht und Staat zugunsten ökonomischer Sonderinteressen. Der Waldeigentümer wolle «das öffentliche Recht in sein Privateigentum» verwandeln und «sich selbst an die Stelle des Staats» setzen (S. 140). Wer die bestehende Rechtslage ernst nahm, musste alarmiert sein von der Bedenkenlosigkeit, mit der über sie hinweggeschritten wurde. Wer gar an weiterer Demokratisierung interessiert war, wurde zur Einsicht gedrängt, dass eine Kompetenzerweiterung der bestehenden Ständeversammlungen dafür nicht ausreichen würde, sondern neue Institutionen anzustreben waren. Der Text nimmt damit einen empfindlichen Punkt späterer Debatten in der Sozialdemokratie vorweg – das Verhältnis der Bewegung zum bestehenden Staat und die künftige Rolle des Staates im Sozialismus.