Klassismus – eine Intervention

Andreas Kemper
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Klassismus ist die Herstellung und aktive Erhaltung von Klassenverhältnissen. Und Klassenverhältnisse sind durch Ausbeutung geprägt: Die einen sind arm, weil die anderen reich sind. Diesen Ausbeutungen gingen Gewalt und Macht voraus, später sorgt dann die Ausbeutung für grössere Machtunterschiede. Ausgrenzung und die symbolische Gewalt, die die Ausgebeuteten dazu bringt, sich mit den Augen der Herrschenden zu sehen (Kulturimperialismus), sind ebenfalls Merkmale von Klassismus. Klassismus ist also unter dem Blickwinkel der Unterdrückungsaspekte Gewalt, Macht, Ausbeutung, Ausgrenzung und Kulturimperialismus (Young 2011, Kap. 2) zu betrachten, ähnlich wie Sexismus und Rassismus.

Komplexe gesellschaftliche Arbeitsteilung und technologischer Fortschritt prägen die kapitalistische Klassengesellschaft, welche durch die private Aneignung gesellschaftlicher Arbeit in sich widersprüchlich ist. Sie ist durch die Macht der Produktionsmittelbesitzer*innen geprägt, den Arbeitenden nur das Äquivalent ihrer geleisteten Arbeit zurückzugeben, welches sie zur Wiederherstellung ihrer Arbeitskraft benötigen, während die Kapitaleigner*innen sich den darüber hinausgehenden Mehrwert aneignen. Bestandteil dieser besonderen Macht ist zum einen ein fünfhundertjähriger Disziplinierungsprozess durch brutale Obdachlosengesetze, Gefängnissysteme und Arbeitshäuser, kurz: die Produktion von Fabrikarbeiter*innen.

Zum anderen die Warenförmigkeit des Produktionsprozesses und der Produkte der Arbeit, die das Ausbeutungsverhältnis verschleiern. Ein Kennzeichen der kapitalistischen Klassengesellschaft ist aber auch die komplexer werdende Klassenreproduktion. Mitte des 19. Jahrhunderts konnte sich Karl Marx in der Frage der Klassenreproduktion noch auf Adam Smiths Blackbox der «race der Fabrikarbeiterfamilie» (MEW Ergänzungsband 1, 471) beziehen und Friedrich Engels verwies in seinen Ausführungen zur Lage der arbeitenden Klasse in England essenzialisierend auf den Rassisten Thomas Carlyle. Spätestens seit dem Sputnik-Schock ist aber klar, dass eine sich generationenübergreifend verbessernde Situation nicht mehr nur den Arbeiter*innenfamilien überlassen werden kann, sondern dass neben den obligatorischen zehn Schuljahren auch immer grössere Teile aus den Arbeiter*innenfamilien studieren müssen.

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