Rentenproteste in Frankreich

Sebastian Chwala
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Beginnen nun «heisse» Klassenkämpfe?
Zwischen Januar und Juni 2023 stand Frankreich ganz im Zeichen der grössten Protestbewegung seit Jahrzehnten. Millionen Menschen gingen auf die Strasse, um gegen eine von der französischen Regierung und Staatspräsident Macron mit aller Macht gewollte Rentenreform zu protestieren, die das Mindestrenteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre erhöhen wollte. Dies war bereits die zweite Protestbewegung in der Amtszeit Macrons: Ende 2019 wollte Macron eine Rentenreform verabschieden lassen, die das Rentensystem vollständig umgestellt und sich nicht mit einer Erhöhung des Renteneintrittsalters begnügt hätte. Diese Totalreform wurde allerdings mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie im März 2020 wieder eingestampft.
Zwar wurde die Protestbewegung gegen den neuerlichen Versuch einer deutlichen Verschlechterung des französischen Rentensystems im Kern von einer noch nie dagewesenen Einheitsfront der Gewerkschaften getragen, doch verhinderte dies nicht, dass auch politische und gesellschaftliche Fragen mit der Dauer der Protestbewegung eine wachsende Rolle spielten. Allein aufgrund der Tatsache, wie die Durchsetzung der «Reform» letztendlich erfolgte, entwickelten sich Debatten darüber, ob das herrschende politische System überhaupt noch bürgerlich-demokratischen Minimalanforderungen genüge.

Macrons Rentenreform stösst bei Expert*innen und in der Öffentlichkeit auf Ablehnung
Als Macron am 10. Januar 2023 die neuerlichen Rentenpläne des «macronitischen» Parteienbündnisses offiziell bekannt gab, waren weder die politi-