Saatgut gehört den Bäuer*innen

Eva Gelinsky
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Formen der ursprünglichen Akkumulation

 

Ist die Landwirtschaft eine Industrie wie jede andere? Wie verändert der Kapitalismus die Landwirtschaft? Diese Fragen sind seit über hundert Jahren Gegenstand kontroverser Diskussionen. Einigkeit herrscht meist darüber, dass die Landwirtschaft ein spezieller Wirtschaftssektor ist, der ihrer kapitalistischen «Durchdringung» Widerstände entgegensetzt. Während in der Industrie die Taktung des Produktionsprozesses durch technische Möglichkeiten, den Einsatz von Arbeitskräften, von Wissen und Kapital präzise gesteuert werden kann, gibt in der landwirtschaftlichen Produktion die nur bedingt kontrollierbare Natur vor, wann Arbeiten wie die Aussaat oder die Ernte beginnen können. Dazu kommt, dass wichtige Produktionsmittel wie das Saatgut von Bäuer*innen selbst hergestellt bzw. reproduziert werden können. Dieser Umstand verleiht bäuerlichen Betrieben Unabhängigkeit und öffnet ihnen begrenzte Möglichkeiten, sich dem kapitalistischen Markt und dem Zwang zur Lohnarbeit zu entziehen.

Um die kapitalistische Akkumulation auch im Agrarbereich durchzusetzen, wurden und werden Bäuer*innen von ihren Produktionsmitteln enteignet. Marx beschreibt diesen Prozess, den er als ursprüngliche Akkumulation bezeichnet, am Beispiel von Kleinbäuer*innen, die von ihrem Land vertrieben und ihrer sonstigen Produktionsmittel beraubt werden (MEW 23, 741-791). Die treibenden Kräfte dieses Prozesses sind einerseits die besitzende Klasse der Kapitalist*innen, andererseits der Staat, der die Rahmenbedingungen der Akkumulation durchsetzt und schützt. Den Enteigneten bleibt, da sie nun nichts anderes sind als «freie» Arbeiter*innen, nur ihre Arbeitskraft, die sie verkaufen müssen. Den Lohn, den sie für ihre Arbeit erhalten, benötigen sie für ihre Reproduktion: für Lebensmittel, Kleidung und Unterkunft. Auf diese Weise werden sowohl Arbeiter*innen als auch ein Markt geschaffen. Kloppenburg bezeichnet die Landwirtschaft als den eigentlichen locus classicus der ursprünglichen Akkumulation (2010b, 368). Verschiedene Autor*innen weisen darauf hin, dass dieser Prozess auch in jüngster Zeit andauert (Zeller 2004, 2006, 2009; Harvey 2003).

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