Silke Helfrich / David Bollier: Frei, Fair und Lebendig

Nina Schneider
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«Commoning bedeutet nicht einfach, etwas zu teilen oder gemeinsam zu nutzen, wie wir das aus dem Alltag kennen. Es bedeutet, zu teilen beziehungsweise gemeinsam zu nutzen und zugleich dauerhafte soziale Strukturen hervorzubringen, in denen wir kooperieren und Nützliches schaffen können.» (S. 20, Hervorhebungen im Original) Das Buch Frei. Fair. Lebendig ist ein Plädoyer für eine gemeinschaftliche, basisdemokratische und bedürfnisorientierte Wirtschaftsethik, die – so Helfrich/Bollier – für das Überleben der Menschen und des Planeten unerlässlich ist.

Schon 2012 hat Silke Helfrich mit Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat ein Standardwerk zur Geschichte der Almenden/Gemeingüter/Commons und zur Forschung der Wirtschaftsnobelpreisträgerin Ellenor Olstrom vorgelegt. Silke Helfrich betreibt das deutsche Commons-Institut, versteht sich als Aktivistin und gilt als wichtigste Expertin für Commons im deutschen Sprachraum.

In ihrem aktuellen Band präsentiert sie zusammen David Bollier wieder unzählige Praxisbeispiele und belegt, dass sich rund um den Erdball und in allen denkbaren Bereichen Enthusiast*innen finden, die ihre Energie «analog und digital, rurban und glokal» (S. 14) für ein gemeinschaftliches und gerechtes Verwalten von Wissen und Gütern einsetzen. Neu richten die Autor*innen ihren Fokus auf Gelingensbedingungen. Dazu gehören die Sinngebung durch soziale Beziehungen, ein Vokabular, das die Prozesse treffend beschreiben kann, sowie die Auseinandersetzung mit rechtlichen und staatlichen Hindernissen für entkommerzialisiertes Haben.

Helfrich/Bollier erachten Commoning als Instrument, das dem Nationalismus, der Ungleichverteilung, der Klimazerstörung wie auch der Werte- und Sinnkrise viel entgegensetzen kann – also als den Weg aus der Krise schlechthin. Voraussetzung sei, unsere Grundannahmen über die Wirklichkeit zu überdenken, die bestimmen, was wir für normal und wünschenswert halten (S. 36). Ihre Kritik zielt auf die Gründerväter der Aufklärung, die den Menschen als völlig frei entwarfen und ein Denken in aufeinanderprallenden Dualismen hervorbrachten: Individuum und Kollektiv, Menschheit und Natur, Geist und Materie. Diese Denktradition habe ermöglicht, den Planeten auszupressen und tauge keineswegs zu inklusiven Lösungen. (S. 40). Am Beispiel des menschlichen Körpers erläutern sie das Funktionieren eines für Commons tauglichen kooperierenden Organismus (S. 50f.), der mit der Umwelt und zahlreichen Mikroorganismen dauerhaft im wechselseitigen Austausch steht. Ihr onto-politischer Basisbegriff «ich-in-Bezogenheit» hebt die Gleichzeitigkeit und Vernetzung von «allem mit allem» hervor und fördert ein Seinsverständnis zwischenmenschlicher Verbindungen und gegenseitiger Abhängigkeit. Nur in diesem Geist könnten integrative Gemeinwesen erblühen.