Simona Isler: Politiken der Arbeit, und Celine Angehrn: Arbeit am Beruf

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Arbeit ist nicht gleich Arbeit und nicht einmal alle Arbeit gilt als Arbeit. Dass es sich bei dieser strukturellen Unhaltbarkeit weder um einen historischen Überhang noch um einen abgeschlossenen Prozess handelt, beleuchten die Dissertationen von Céline Angehrn und Simona Isler. Entstanden sind die beiden historischen Analysen im Rahmen des von 2012 bis 2015 an der Universität Basel angesiedelten SNF-Projekts (Schweizerischer Nationalfonds) «Differenzierungsarbeit. Aushandlungen von Arbeitskonzepten in Berufsberatung und Frauenbewegung (Schweiz, 20. Jahrhundert)».
 

Die Arbeiten zeichnen die Entwicklung der Konzeption von Arbeit im 20. Jahrhundert zwar mit unterschiedlichem thematischem Fokus nach, teilen aber theoretische Ansätze und methodische Vorgehensweisen. Beide arbeiten mit einem Feminismusbegriff, der grundsätzlich alles Handeln und Denken einschliesst, welches die Situation von Frauen verbessern will; und beide arbeiten mit der Methode der kontrastierenden Symmetrie. Das heisst, die jeweiligen Politiken werden in ihren jeweiligen historischen Kontexten zugänglich gemacht und ausschliesslich mit zeitgenössischen Gegenpositionen konfrontiert, ohne sie mit heutigen Deutungsschemata zu interpretieren: «Zeitnähere Feminismen werden nicht als per se ‹weiter entwickelt› oder fortschrittlicher verstanden.» (Angehrn, S. 23) Dadurch gelingt es den beiden Autorinnen, die heutigen «Arenen von Gleichstellungsbemühungen» (Isler, S. 17) als Resultat einer linearen Erfolgsgeschichte feministischer Kämpfe in Frage zu stellen.
 

Simona Isler lässt in Politiken der Arbeit – Perspektiven der Frauenbewegung um 1900 drei nationale Dachverbände zu Wort kommen: Den Schweizerischen Gemeinnützigen Frauenverein (SGF), den Bund Schweizerischer Frauenvereine (BSF) sowie den Schweizerischen Arbeiterinnenverband (SAV). So unterschiedlich die Perspektiven dieser drei Vereine auch waren, hatten sie doch auch gemeinsame Nenner: Sie alle sahen die fortgeschrittene Industrialisierung als Ursprung der gesellschaftlichen Neuordnung, auf welche sie reagieren mussten.
 

Für den BSF war beispielsweise klar, dass die industrielle Güterproduktion die Frauen ihrer Arbeit im Haus entledigt hatte. Denn, was zuvor im Haushalt hergestellt wurde, konnte plötzlich billiger und besser in der Fabrik hergestellt werden. Das Haus hatte seine Legitimität als Arbeitsplatz eingebüsst und war zu einer Sphäre jenseits des gesellschaftlichen Lebens geworden. Deshalb mussten die Frauen «das Haus und die Arbeit darin verlassen, um neuerdings in der Welt tätig zu sein, wo sie Lohn, Bildung und Rechte einforderten» (S. 37). Während Hausarbeit neu organisiert werden musste – die Ideen reichten von genossenschaftlicher Organisation bis zur Entlohnung –, erwuchs aus der neuerlichen Erwerbstätigkeit der Frauen ausserdem ein Rechtsanspruch.