Von Realitäten, Defiziten und Mythen

Therese Wüthrich
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Warum ist die Annahme falsch, dass der Staat nicht mehr Geld ausgeben soll, als er einnimmt, wie wortführende Ökonom*innen geltend machen? Die Modern Monetary Theory (MMT) stellt dieses Verständnis vom Kopf auf die Füsse, mit grossen Konsequenzen für das Denken makroökonomischer Zusammenhänge. Angesichts der dringenden Fragen bezüglich Staatsausgaben und entsprechenden Defiziten in Zeiten der Krise, aktuell ausgelöst durch Corona, ist es höchste Zeit, sich mit ihr zu befassen. Economiefeministe, die Plattform für feministische Ökonomie, begann diese Auseinandersetzung mit einer Lesegruppe im April 2021 – und zwar anhand der Lektüre von The Deficit Myth der amerikanischen Ökonomin Stephanie Kelton (2020). Als Teilnehmerinnen versuchen die Autorinnen in diesem Beitrag das Potenzial der MMT für feministische Politiken zu beleuchten.

Der grösste Wirtschaftssektor in der Krise
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie konnten und können die meisten von uns miterleben, dass es uns alle betrifft, wenn unser Gesundheitssystem beinahe zusammenbricht und in die Krise gerät. Wenn Operationen nicht mehr durchgeführt werden, weil der Platz in den Spitälern nicht mehr vorhanden ist. Wenn das Arbeitsrecht für das Pflegepersonal plötzlich ausser Kraft gesetzt wird. Wenn plötzlich viele Menschen draussen stehen und Applaus spenden, als könnten davon Mieten bezahlt werden, während die Löhne tief bleiben. Wenn Kitas plötzlich geschlossen werden und die Schule von einem Tag auf den anderen zu Hause stattfindet, wo gerade auch für das Büro gearbeitet werden muss.

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