Sarah El Bulbeisi: Tabu, Trauma und Identität

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Wie traumatisch wirken Erfahrungen kollektiver Entwurzelung auf betroffene Menschen? Stärken sie eine widerständige Identität, zum Beispiel bei Jugendlichen? Sarah El Bulbeisi untersucht in ihrer Dissertation, wie geflüchtete Palästinenser*innen im Exil mit ihren Gewalt-Erlebnissen umgehen und diese unbewusst an ihre Nachkommen weitergeben. Sie fragt auch, ob sich in der Diaspora, der Gemeinschaft in der Fremde, ein besonderes Opfer-Bewusstsein zeigt. In ihren theoretischen Bezügen nimmt Sarah El Bulbeisi psychoanalytische Ansätze auf. Sie verknüpft diese mit sozialwissenschaftlichen Analysen und postkolonialen Studien. Beim Konzept «trauma of race» bezieht sie sich stark auf den französischen Psychiater Frantz Fanon (aus Martinique) und eine symbolische bzw. diskursive Gewalt. Sarah El Bulbeisi spricht damit an, welche Konsequenzen einseitige Debatten haben. Wichtig sind ihr zudem die Denkfiguren der Subjektivität und des grossen Eigenen (statt des grossen Anderen). Sie helfen zu verstehen, was erlittene Unterdrückung für die Beziehung zu sich selbst, zu Kindern und zur Welt bedeuten.

Im Vordergrund der Arbeit stehen autobiografische Erzählungen von palästinensischen Flüchtlingen und deren Nachkommen im europäischen Exil. Eine erste Generation von Vertriebenen geht auf die Massenverbannung, die Nakba, von 1947/48 zurück. Über 750 000 arabische Palästinenser*innen mussten damals aus dem britischen Mandatsgebiet fliehen. Weitere folgten später, gut 100 000 nach Nordeuropa. Sarah El Bulbeisi fokussiert jene, die in den 1960er- und 1970er-Jahren nach Deutschland und in die Schweiz kamen und wegen der israelischen Besatzung von Gaza und Westjordanland (1967) hier bleiben mussten. Wer in Europa geboren ist, zählt zur zweiten (Migrations-)Generation.